35 „Was du alles aus dir machen könntest…“

Ist das so? Meine Freundin ist dieser Ansicht. Das weiß ich sehr zu schätzen und zeigt mir, dass es wenige Menschen gibt, die hinter den ersten, optischen Eindruck blicken.
Gestern war ich mit dieser Freundin unterwegs. Ich brauchte neue Schuhe und sie wollte nach einem Oberteil schauen. Gut, dass ich mir dann nichts geholt habe, überrascht niemanden, der mich kennt. Denn ich überlege dreimal, bevor ich mir etwas kaufe.
Meine Freundin meinte plötzlich, dass ich eine tolle Figur hätte und alles tragen und ich viel mehr aus mir machen könnte. Wenn sie neben dem nötigen Kleingeld meine Figur hätte, würde sie alle Kleidung kaufen, die ihr gefällt.

Ich wundere mich immer wieder, wie absolut gegensätzlich Meinungen sein können. Entgegen jeglicher Ansicht, ich sei zu dünn, sagen wenige andere, ich hätte eine gute Figur. Dennoch muss ich hervorheben, dass meine Freundin mir sonst nahelegt, zuzunehmen und sagt, ich sähe dann nochmal ganz anders aus – positiv gemeint.
Direkt nach ihrer lieben Äußerung folgte ihr Vorschlag, mir ein Outfit zusammenzustellen, das ich dann anprobieren könne. Ich fand es lustig und sagte zu.

Ich im Biker-Outfit…
Lederjacke, Lackhose, helles Top, das frech aus der Hose schaute, und schwarze High Heels. Ich durfte während des Umziehens nicht in den Spiegel schauen. Meine Freundin wollte mich vor mir umgezogen sehen: „Mensch, du siehst toll aus! Sehr hübsch und ganz anders. Was du alles aus dir machen könntest!“, schwärmte sie und lächelte übers ganze Gesicht.
Sie war ganz davon angetan, wie toll die Hose sitzen würde… Das Lustige ist, ich habe immer Probleme, gut sitzende Hosen zu finden… Trotzdem kam die Überlegung, sie zu kaufen, gar nicht erst auf. Denn das gute Stück kostete über 120 €.

Nun war ich an der Reihe und drehte mich zum Spiegel: Was ich sah, war ein anderes, mir unbekanntes Spiegelbild. Zwar besitze ich eine schwarze Kunstlederjacke, die ich liebe, aber dieses komplette Outfit, diese Schuhe… Und wie das Shirt halb aus dem Hosenbund rausblitzte…
Ich hatte zuvor noch nie High Heels an, weshalb ich nur kleine Schritte aus der Umkleidekabine wagte. Aber:
Ich sah nicht nur anders aus: Ich fühlte mich auch anders. Und ich fand, ich strahlte anders.
Nach außen, meine ich. Ginge ich so auf die Straße, hätte eine mir entgegenkommende Person bestimmt einen anderen Eindruck von mir: tough, zielstrebig, offen, selbstbewusst. Im Prinzip, so wie ich sein möchte. Aber ich fühlte mich immer wie die, kleine, graue Maus von nebenan.
Daran ist auch nichts Falsches oder Verwerfliches!
Aber wenn man immer wieder in ein und dieselbe Schublade gesteckt wird, obwohl viel mehr in einem steckt, dann möchte man irgendwann ausbrechen.


Dazu passt jetzt nur indirekt das folgende Thema, aber sie hängen trotzdem zusammen:
Am Abend fragte mich mein Freund plötzlich, ob ich auf mein Kalorien-Soll gekommen bin. Vermutlich, da ich mich vormittags für etwa 80 Minuten zu Hause dem „functional Training“ widmete und erst mittags richtig gegessen hatte. Dann war ich ja bis abends mit meiner Freundin unterwegs. Da hatte er schon alleine gegessen und ich machte mir ein Brötchen mit zwei Spiegeleiern. Ich hatte noch Hunger und bekam Lust auf „Cookie Dough“ – das, was momentan überall die Runde macht: roher Keksteig, zum Naschen, ohne Ei.
Allerdings, als „Clean Eater“ und „Kalorien- / Nährstoffjunkie“, stellte ich mich abends noch in die Küche und kreierte eine Version für gesundes „Cookie Dough“ (hier zum Rezept). Die Hauptbestandteile sind Hülsenfrüchte, aufgepeppt und abgeschmeckt mit verschiedenen Extras wie Nüssen, Samen, Obst und selbstgemachter Schokolade. Ich liebe es! Meinen Freund kann ich dafür leider nicht begeistern, genauso wenig wie für viele gesunde Rezepte, die ich gerne mag. Er probiert zwar öfter von neu gebackenen Experimenten, aber es bleibt bei einem halben Teelöffel oder ein nochmal halbiertes Stück von einer abgebrochenen Ecke. Also, kleiner als so klein wie möglich. Seine Antwort ist immer dieselbe:
„Nicht süß genug“ oder „Schmeckt kaum nach etwas“.
Klar ist es anders als selbstgebackene, gut duftende Kekse von Oma oder fertig gekaufte Industrieplätzchen. Ich versuche auch gar nicht, jemanden etwas auszureden oder etwas schlecht zu machen. Jeder soll das tun und essen, was er möchte. Ich biete nur an, etwas Gesundes, Frisches, Selbstgemachtes zu probieren und natürlich würde ich mich freuen, wenn es gut ankommt. Manche Freunde oder Verwandte mögen meine Kreationen, manche nicht. Und das ist auch alles in Ordnung.


Kalorien-Soll
Und wieder vom Thema abgekommen:
„Hast du dein Soll heute erreicht?“, fragte mich gestern Abend mein Freund.
Er schätzte, dass ich nicht über 2.200 Kalorien sei.
Ich bestätigte seine Vermutung, womit ich ihn nicht anlog. Was ich für mich behielt, war, dass es gerade mal 2.002 Kalorien waren. Zufällig dieselben Zahlen und kein Zahlendreher.

Seine Stimme erhob sich: 3.000 Kalorien sollte ich am Tag essen; dass ich diese zwar manchmal schaffe, aber wenn ich fünf- bis sechsmal die Woche darunter liege, bringe es nichts. „So wird das nie etwas mit dem Zunehmen, wenn du immer auf einen flachen Bauch fixiert bist! Es kann nicht sein, dass du dein ganzes Leben nach Sport und Essen auslegst!“

Was sollte ich ihm antworten? Er hat recht, das weiß ich. Seit Tagen überlege ich wieder verstärkt, wie ich was machen soll.
Und auch, dass ich so spät nicht viel essen möchte. Ich mag es nicht, mit vollem Bauch ins Bett zu gehen. Deswegen blieb ich auch schon oft bis nachts 2, 3 Uhr auf und arbeitete am Laptop.
Bis ich dann im Bett bin, ist es normalerweise vom Bauch her angenehmer.


Heute Morgen machte ich Müsli für die Arbeit. Allerdings hatte ich wieder Hunger und aus zwei, drei Löffeln „zum Probieren“ wurde schwups eine halbleere Schale…
Somit hatte ich auf der Arbeit nur noch wenig Müsli. Weil ich früher gehen konnte, war ich mittags zu Hause und hatte richtig Hunger. Ich erwärmte einen Rest Nudeln mit Gemüse, den ich sonst später auf der Arbeit gegessen hätte. Aber richtig satt war ich noch immer nicht. Bis dahin waren es knapp 850 Kalorien, die ich intus hatte.
Ich räumte den Tisch ab, die Spülmaschine aus und stellte Wäsche an. Zeit überbrücken bis zur nächsten Mahlzeit um 16 Uhr: „Cookie Dough“.


Und wieder – oder noch? – spürte ich Hunger.
Zwei Scheiben Brot mit Ei werden es noch, dachte ich mir. Da war es wieder: Ich legte im Vorfeld fest, dass es voraussichtlich zwei Scheiben werden. Dennoch wollte ich vernünftig handeln und mir eine dritte Scheibe genehmigen, falls ich noch immer Hunger haben sollte.
Ab und zu entscheide ich sowas doch spontan…

Und ja, es wurden drei Scheiben. Die letzte sogar mit Vollfett-Käse.
Schnell kamen Gedanken wie, „hätte ich besser nicht die dritte Scheibe gegessen“, aber ich war nicht allzu voll und ich weiß, ich muss endlich mein Essverhalten verändern – und das heißt, tagsüber mehr essen, um abends nicht (so viel Quark) zu essen.


Später im Bett, dachte ich über die Worte meines Freundes nach:
So, wie ich esse, sei es zum Abnehmen okay, aber nicht für mein Vorhaben, sagte er.
Vor allem der nun folgende Satz hängt mir in den Ohren:
„Du könntest viel mehr erreichen, wenn du mehr und anders essen würdest“.

Schon einige Male predigte er mir, dass ich viel esse, aber da es ohne „Wumms“ (= wenig Kaloriendichte) ist, bringe es nichts.
Was soll ich sagen? Er hat recht…

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